Peter Bauhuis

Die Grenzgänge zwischen den Stilen, künstlerischen Gattungen und Techniken sind heute zahlreich. Auch die Goldschmiedekunst beschränkt sich längst nicht mehr auf die ihr angestammte Rolle, Schmuck, Gefäße und andere Zier- und Nutzgegenstände herzustellen. Das ist entscheidend, insofern das einzelne Werk in seinem Zweck nicht mehr vollkommen aufzugehen scheint. Eine zweite, konzeptuelle, manchmal ironische Stimme hat sich eingeschlichen. Sie spricht über das Tragen und Produzieren von Schmuck - und vielfach auch über das Anschauen und Angeschautwerden schlechthin.



Es sind dies wesentliche Pole, zwischen denen sich das Schaffen von Peter Bauhuis entwickelt. So hat der gebürtige Friedrichshafener bereits in einer Schmuckserie von 1996 den herkömmlichen Umgang mit Schmuck, namentlich mit Broschen, humorvoll konterkariert. Bei den Fusseln handelt es sich um winzige Anstecker aus Gold und Silber, die zunächst mit einem Flusen oder mit anderem, womöglich ärgerem Schmutz verwechselt werden. Statt bewundernd auf dem Schmuckstück zu ruhen, bleibt der Blick irritiert am Fussel auf Jacke, Mantel oder Pullover hängen. Nicht selten und oft reflexartig folgen jene Handbewegungen, mit denen man Staub und ähnliches von der Kleidung zupft oder wedelt.


Gleichzeitig entstehen seit Mitte der 90er Jahre Arbeiten, in denen Peter Bauhuis der Relation zwischen materiellem Ding und Sehakt nachspürt. Seinen Euskopen wie auch dem Hosentaschenbetrachter (1995) dient die eigentliche Goldschmiedearbeit als Gehäuse eines Sehinstrumentes. Wiederum wird der Blick vom "wertvollen" Gegenstand aus getriebenem Gold oder Silber abgelenkt, um ihm stattdessen im Inneren ein Dia oder eine plastische Miniatur zu präsentieren. Ironischerweise ähnelt dieser Betrachtungsvorgang, bei dem man das Gold schmiedstück direkt zum Auge führt, der Betrachtung eines Spezialisten (Juweliers), der die Arbeit aus nächster Nähe mit der Lupe prüft.


Peter Bauhuis Beschäftigung mit dem Sehen mündet in jüngster Zeit in einer Reihe optischer Installationen, die sich als Werke eines Goldschmieds nicht mehr zu erkennen geben. Es wirft ein Licht auf die Grenzgänge der zeitgenössischen Schmuckkunst, dass Bauhuis gerade mit einer solchen Arbeit im Jahre 2000 den Debutantenpreis der Kunstakademie München gewinnt: Aussicht verzichtet ganz auf den Gegenstand, ist nurmehr Bedigung des Sehens. In einem schmalen Gang im ersten Zwischengeschoss der Akademie hat Bauhuis etwa in Brusthöhe die Wand durchbohrt und in den Hohlraum eine Linse eingesetzt. Ein unspektakuläres Stück Straße, ein Baum, ein Hauseingang erscheinen im Rund des Lochs. Doch handelt diese Arbeit eben nicht von den Bilder und Objekten des Sehens, sondern vom Sehakt selbst: vom Orts- und Architekturbezug des Sehens und von seiner Beziehung zum eigenen Körper.


Neben den bisher genannten Arbeiten entstehen kontinuierlich Broschen, Ringe und Gefäße. Mag die Spanne zwischen Schmuckstück und optischer Installation weit erscheinen, so bleibt allerdings auch bei den eigentlichen Goldschmiedearbeiten eine zweite Stimme vernehmbar. Sie spricht darüber, was ein Ring, eine Schale, eine Brosche sein kann, und sie führt auch hier dazu, dass sich das künstlerische Objekt, sei es Ring oder Schale, nicht in seiner Benutzung gänzlich erfüllt und aufhebt.


Die zentralen Werkgruppen Schaumgold und Gefäße entstehen seit 1998 durchweg im Gussverfahren. Die intensive, durchaus erfinderische Beschäftigung mit dieser Technik, hat Peter Bauhuis den Ruf eines modernen Alchimisten eingebracht. Anders als bei getriebenen Schmiedearbeiten liegt beim Guss die eigentliche Arbeit in der Vorbereitung. Handwerkliche Präzision und genaue Materialkenntnis steuern im Vorhinein das Resultat. Während des Gießens hingegen bestehen kaum noch Einfluss- und Korrekturmöglichkeiten. Bauhuis setzt Materialprozesse in Gang, um aus dem jeweils spezifischen Verhalten des Materials Schlüsse für die weitere Arbeit zu ziehen. Beim Schaumgold betrifft dies zum einen die Farbigkeit des Goldes und zum anderen die Stabilität der filigranen Verästelungen, die entstehen, indem Bauhuis sein Gussmodell aus einem Schaumstoff fertigt. Diese Güsse, die als Broschen oder Bekrönung von Ringen Verwendung finden, erinnern an feinstes Wurzelwerk und sind wie Abgüsse gewachsener Natur.


Die Gefäße zeigen dagegen eher malerische Resultate der Materialprozesse. Füße und Aufsatz der Gefäße bestehen durchweg aus jeweils verschiedenen Gold- oder Silberlegierungen, die beim Aufeinandertreffen miteinander reagieren. So vollzieht sich im Inneren der Gefäße ein gleichsam chemisches Informel, das auch anschaulich vielfach die Wirbel und Gesten der informellen Malerei in Erinnerung ruft. Desweiteren zeichnen sich die Arbeiten dieser Werkgruppe durch eine geradezu archaische Rückwendung zu elementaren Formen des Stehens und räumlichen Umfangens aus und führen Grundeingeschaften des Behältnisses vor Augen.

zurück